Denkmäler der Tonkunst in Österreich

Gesellschaft zur Herausgabe von Denkmälern der Tonkunst in Österreich

Aufnahmeantrag für Gustav Mahler

Konzept für den Antrag zur Aufnahme von Friedrich Dlabacz und Gustav Mahler in die Leitende Kommission, verfaßt von Adler, Wien 23. 10. 1898, und Schlußseite der Reinschrift des Antrages mit den zustimmenden Unterschriften der Kommissionsmitglieder [Emil v.] Bezecny, [Wilhelm R. v.] Hartel, [Engelbert] Mühlbacher, [Nikolaus v.] Dumba, [Wilhelm v.] Weckbecker, C[arl]Aug[ust] Artaria.

Antragskonzept Seite 1
Antragskonzept Seite 2
Antragskonzept Seite 3

An die P.T. Herren Mitglieder d. Leitenden Commission.

Im Einverständnisse mit dem Vertreter der hohen Regierung Herrn Sectionsrath Baron Weckbecker erlauben sich die Unterzeichneten folgende Vorschläge zu erstatten:

Seit dem Ableben des Ministerial Vicesecretärs Dr Albert R. v. Hermann ist die Stelle eines Schriftführers der Leitenden Commission nicht besetzt. In gleicher Weise ist durch den Tod des Dr Johannes Brahms eine Lücke entstanden, die bisher nicht ausgefüllt wurde. Es erscheint daher geboten, für beide Abgänge Ersatz zu schaffen.

Für die Stelle eines Schriftführers ist Herr Dr Friedrich Dlabacz, kk Vicesecretär im k.k. Ministerium für Cultus und Unterricht in Aussicht genommen. Derselbe ist nicht nur ein gewandter, stylistisch geübter Beamter, sondern auch ein trefflicher feinsinniger Musiker, der als Hörer der k.k. deutschen Universitaet in Prag musikwissenschaftliche Studien betrieb. Mit schönem Eifer pflegt er auch derzeit Musik u sucht sich immer weiter zu vervollkommnen. Der Umstand, dass auch der verstorbene Schriftführer der Leitenden Commission dem hohen k.k. Ministerium für Cultus u Unterricht angehörte, berechtigt zu der Annahme, daß die auf Herrn Dr Dlabacz fallende Wahl auch in dieser Beziehung den Intentionen der Leitenden Commission conform wäre.

Für die Stelle des verewigten Dr Brahms sei hiermit Herr Gustav Mahler, k.u.k. Director der k.k. Hofoper, nominiert. Derselbe hat sich in seiner neuen Stellung nicht nur als hochbegabter Musiker erwiesen, der mit Außerachtlassung aller persönlichen Rücksichten nur dem Ideale seiner Kunst nachgeht, sondern er steht auch als Componist in der Vorderreihe der jüngeren Künstlergeneration. Derselbe hat seine Studien in musikhistorischer Richtung zu vertiefen gesucht u bekundet für die „Denkmäler der Tonkunst in Oesterreich“ lebhaftes Interesse, das er durch den Beitritt als Subscribent der Gesellschaft bekundete. In den letzten Jahren fanden wiederholte Aufführungen symphonischer Werke Mahler’s im Auslande statt u erregten die Aufmerksamkeit der kunstgebildeten Welt. Er steht mitten im Kampfe des modernsten Kunstlebens. Der Werth seiner Werke läßt sich heute noch nicht historisch praecis feststellen, da er selbst noch im Fortgange seines künstlerischen Schaffens begriffen ist. Allein seine Vocation zu hohem künstlerischem Schaffen ist unzweifelhaft. Die Anerkennung, die Mahler durch die „Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst u Literatur in Böhmen“ zu Theil wird, die ihn zum Correspondirenden Mitgliede ernannte u eine Gesammtausgabe seiner Werke ermöglichte (sie erscheint derzeit bei Eberle & Co in Wien), spricht dafür, dass auch akademische Kreise den hohen Ernst der Muse Mahler’s zu würdigen beginnen. Seine Wahl erschiene somit nach allen Seiten gerechtfertigt.

Da es wünschenswerth ist, daß die Lücken baldmöglichst ausgefüllt werden u die etwa Gewählten der nächsten Sitzung der Leitenden Commission beiwohnen, sei die Abstimmung per rollam vorgelegt.

Der Vorsitzende der Leitenden Commission.
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[Bezecny]

Der Leiter der Publicationenen:
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[Guido Adler]

Wien den 23. October 1898

Aufnahmebefürwortung

letzte Änderung: 27.12.2008     •     Text: Theophil Antonicek     •     Webeinrichtung: Konrad Antonicek