Denkmäler der Tonkunst in Österreich

Gesellschaft zur Herausgabe von Denkmälern der Tonkunst in Österreich

Antonio Bertali 1605–1669, Dramatische Sakralwerke

Denkmäler der Tonkunst in Öterreich, Band 156
bearbeitet von Tassilo Erhardt

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Das Oratorium La strage degl'Innocenti (1665) und das Sepolcro Il Pentimento, l'Amore verso Dio, con il Pianto delle Marie, et de Peccatori (1661) sind die einzigen erhaltenen dramatischen Sakralwerke des Wiener Hofkapellmeisters Antonio Bertali. Gemeinsam repräsentieren sie den reifen Stil des Komponisten, welcher sich durch technische Meisterschaft, rhetorischen Einfallsreichtum und große musikalische Kohärenz auszeichnet. Um 1605 in Verona oder Umgebung geboren, zog Bertali 1624 nach Wien, wo er am Kaiserhof als Geiger, Komponist und Lehrer tätig wurde. 1649 stieg er nach Giovanni Valentinis Tod zum Hofkapellmeister auf. Seine große Popularität als Komponist wird durch Aussagen von Zeitgenossen sowie durch die weite Verbreitung seiner zahlreichen Werke in ganz Europa belegt. Obwohl sich Bertali auch in weltlichen Genres übte, bildete die geistliche Musik sein zentrales Aufgabengebiet als Hofkapellmeister.

Das Libretto von La strage degl'Innocenti basiert auf dem gleichnamigen epischen Gedicht Giambattista Marinos und behandelt den Bethlehemitischen Kindermord: Es zeigt König Herodes inmitten seiner Berater in Angst, sein Reich an den neugeborenen König zu verlieren. Während ihn die beiden ersten Ratgeber zu dem Kindermord drängen, warnt der dritte vor den Konsequenzen solcher Grausamkeit und des Ungehorsams gegenüber dem göttlichen Plan. Dennoch machen sich Herodes und seine Minister voll Mordlust auf zum Massaker. Der zweite Teil des Oratoriums beginnt mit der herzzerreißenden Klage dreier Mütter um ihre unschuldigen Kinder. Doch ihre Tränen sind vergebens, und das Gemetzel nimmt seinen Lauf. Der atemberaubende Schlusschor beweint die sterbenden Kinder und stellt die Rache des Himmels für das begangene Unrecht in Aussicht.

Il Pentimento verkörpert eine wienerische Sonderform des Oratoriums, das Sepolcro, welches am Kaiserhof von etwa 1660 bis 1705 gepflegt wurde. Wie in vielen anderen Kirchen Wiens, wurden auch in der Hofburgkapelle und in der Kapelle der Kaiserinwitwe Eleonora während der Karwoche Nachbildungen des Heiligen Grabes errichtet, welche dort als Kulisse für die semi-szenischen Aufführungen dienten. Die dramatische Handlung von Antonio Draghis Libretto zu Il Pentimento ist minimal: Das Werk beginnt mit den Klagen der allegorischen Figuren Il Pentimento (Reue) und Amor verso Dio (Liebe zu Gott) über den toten Jesus. Beide beteuern, dass sie am liebsten selbst sterben möchten. Dasselbe Thema wird danach in einem Dialog zwischen Maria (Jesu Mutter) und Maria Magdalena übernommen. In diesen schalten sich zuletzt auch zwei reuige Sünder ein, und das Viergespann hält eine ausgedehnte Betrachtung über die Sünde. Als einziger Lichtschein wird hier die Hoffnung auf Erlösung genannt, die ernüchternde Schlusssequenz jedoch hält allen Sterblichen die Reue, die Furcht, das Grab und die Würmer als Erinnerung an die eigene Vergänglichkeit vor Augen.

Die dramatischen Sakralwerke Antonio Bertalis erscheinen als zentrale Dokumente der österreichischen Musikgeschichte in der traditionsreichen Editionsreihe Denkmäler der Tonkunst in Österreich – DTÖ. Der Herausgeber, der deutsche Musikforscher Tassilo Erhardt, ist ein Experte für die Musik Antonio Bertalis.

The oratorio La strage degl'Innocenti (1665) and the sepolcro Il Pentimento, l'Amore verso Dio, con il Pianto delle Marie, et de Peccatori (1661) are his only surviving sacred dramatic works by Antonio Bertali. Together they represent the composer’s mature style which excels in technical skill, rhetorical ingenuity, and musical coherence. Born in or near Verona in c1605, Bertali moved to Vienna in 1624. At the imperial court he worked as a violinist, composer and teacher. After Giovanni Valentini’s death in 1649, Bertali succeeded him as imperial chapel master. Testimonies by his contemporaries and the wide dissemination of his works throughout Europe bear witness to his great popularity as a composer during the seventeenth century. Although Bertali also composed secular works, his main task as imperial chapel master concerned the sacred music at court

The libretto of La strage degl'Innocenti is loosely based on an epic poem by Giambattista Marino with the same title. It depicts King Herod amidst his counsellors, in fear of being deposed in favour of the new-born king. Whilst the first two counsellors confirm Herod's rage and advise him to go ahead with the planned slaughter of the children, the third counsellor warns Herod against the consequences of such cruelty and the folly of acting against the divine plan. Nonetheless, Herod and his ministers proceed to the massacre. The second half of the libretto focuses on three mothers lamenting their children's fate whilst Herod's soldiers draw near. All tears being in vain, the killing goes ahead. The breathtaking final chorus bewails the dying children and submits that heaven will take its revenge in time.

Il Pentimento is an example of a sepolcro, a typically Viennese sub-genre of the oratorio, which flourished at the imperial court between c1660 and 1705. As in many other Viennese churches, replicas of the Holy Sepulchre were erected in the Hofburgkapelle and the chapel of empress dowager Eleonora during Holy Week. There they served as backdrop for the semi-staged sepolcro performances. The dramatic plot of Antonio Draghi's libretto for Il Pentimento is minimal: The work begins with a lament for the dead Jesus by the allegorical figures Il Pentimento (Penance) and Amor verso Dio (Love of God). Both declare that they would rather die themselves. This topic is continued in a dialogue between Mary (the mother of Jesus) and Mary Magdalene. Eventually, they are joined by two penitent sinners and the four indulge in an extended contemplation about the nature of sin, with its only ray of light being the hope for redemption. The final sequence, however, reminds all human beings of penitence, fear, the tomb, and worms as a memento of their own mortality.

As important documents of Austrian music history, the sacred dramatic works by Antonio Bertali will be published in the traditional edition series Denkmäler der Tonkunst in Österreich – DTÖ edited by the German musicologist Tassilo Erhardt, an expert of Bertali’s music.

letzte Änderung: 17.10.2013     •     Text: Martin Eybl     •     Webeinrichtung: Konrad Antonicek